Kommentar |
Am Ende der Kritik der praktischen Vernunft schreibt Kant, zwei Dinge würden sein Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht erfüllen: „Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“ (KpV 288). Bei seinem Zeitgenossen, dem katholischen Moraltheologen Johann Michael Sailer, findet sich das Zitat etwas abgewandelt: Als prägend für sein Selbst- und Weltverständnis gilt diesem als dritte Instanz auch das Evangelium. Sailer, der Kants Ethik auch gegen Widerstände in den Katholizismus eingeführt hat, teilt mit diesem die Wertschätzung der Vernunft und die Betonung einer reinen Gesinnung für das moralische Handeln. Beider Wege teilen sich jedoch, wo es darum geht, die Rolle der Religion für die Begründung von Moral zu bestimmen. Während Kant mit dem kategorischen Imperativ ein formales Prinzip als obersten Grundsatz der Moral formuliert, sieht Sailer diesen obersten Grundsatz im christlichen Liebesgebot. Während Kant eine Ethik der Autonomie vertritt, hält Sailer – der christlichen Tradition gemäß – an einer theonomen Begründung von Moral fest. Welche Rolle kann, darf oder muss Religion bei der Begründung von Moral spielen? Diese auch für die heutige Zeit hochaktuelle Frage soll an Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ und an Johann Michael Sailers Einleitung zum „Handbuch der christlichen Moral“ nach einer Einführung in beider Philosophie erörtert werden. |
Literatur |
Einführende Literatur: KANT, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 2008. SAILER, J.M., Handbuch der christlichen Moral, Bd. I, Sulzbach 1834, 1-155. MÜLLER, K., Glauben – Fragen – Denken, Bd. II, Münster 2008. (Abschnitt „Kantisches Paradigma – und ein Widerpart“, 461-484) CORETH, E., SCHÖNDORF, H., Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, Stuttgart 21990. (Abschnitt „Kritik der praktischen Vernunft“, 130-140) SCHÖNECKER, D., WOOD, A.W., Kants ‚Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’: Ein einführender Kommentar, Stuttgart 2008. |