Kommentar |
Motivational Interviewing ist ein zugleich patientenzentriertes und direktives Verfahren. Die Patient:innen werden nicht »überzeugt« oder überredet, sondern vielmehr zu einem so genannten Change Talk – einem lauten Nachdenken über Veränderung – ermutigt (Möchte ich etwas verändern? Traue ich mir das zu? Warum sollte ich vielleicht etwas verändern? etc.). Veränderung soll nicht verordnet, sondern vielmehr in gegenseitigem Einvernehmen – auf Augenhöhe – vereinbart und vorbereitet werden. So wird die Patient:in zur Fürsprecher:in einer Veränderung. Da auf jegliche Konfrontation verzichtet wird, profitieren insbesondere »unmotivierte« Patient:innen von einer Behandlung, die den von Miller und Rollnick (2015) formulierten Prinzipien entspricht: Die Vorbehalte und Einwände der Patient:in werden aufgegriffen, unfruchtbare Auseinandersetzungen vermieden und Widerstände minimiert. Das Vorgehen stimmt weitgehend mit den Annahmen sozialpsychologischer Theorien der Verhaltensänderung – insbesondere der Theorie der Selbstbestimmung – überein. So wird beispielsweise angenommen, dass die Autonomie der Patient:in gefördert werden muss, um Ambivalenz und damit ein Verharren im Status quo zu überwinden.
Motivational Interviewing wurde zunächst in Abgrenzung zu herkömmlichen – oftmals konfrontativen – Methoden der Behandlung alkoholabhängiger Patient:innen entwickelt. In den vergangenen Jahren wurde der Anwendungsbereich jedoch zunehmend erweitert: Verhaltensmedizin (z. B. Adipositas, Diabetes, Tabakabhänggkeit), Psychiatrie (z. B. Schizophrenie), Psychotherapie (z. B. Essstörungen, Störungen im Kindes- und Jugendalter), Soziale Arbeit (z. B. Bewährungshilfe, Strafvollzug, Wohnungslosenhilfe) oder Zahnmedizin (Dentalhygiene).
Methoden: Auswertung von Transkripten und Gesprächsaufzeichnungen, Life-und Videodemonstrationen (»Lernen am Modell«), Übungen in kleinen Gruppen (zwei bis drei Teilnehmer:innen), kurze Referate des Dozenten (15 bis 20 Minuten), Hospitationen. |
Literatur |
Demmel, R. (2022). Motivational Interviewing. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Verhaltenstherapiemanual (pp. 191-195). Berlin: Springer.
Demmel, R. (2020). Motivational Interviewing. In J. Bengel & O. Mittag (Hrsg.), Psychologie in der medizinischen Rehabilitation: Somatopsychologie und Verhaltensmedizin (pp. 125-135). Berlin: Springer.
Demmel, R. (2017). Poster Motivational Interviewing: Prozesse auf einen Blick. Weinheim: Beltz.
Demmel, R. & Kemény, G. (2022). Motivational Interviewing: Arbeitshilfen für Therapie und Beratung. Mit einem Geleitwort von Stephen Rollnick. Freiburg im Breisgau: Lambertus.
Miller, W. R. & Rollnick, S. (2015). Motivierende Gesprächsführung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.
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