Kommentar |
Begriffe aus dem Feld der Informationsstrukturforschung wie Topik, Fokus, Kommentar, Kontrast, Thema, Rhema usw. dienen in der Linguistik seit ungefähr vierzig Jahren als Erklärungsmechanismus für diejenigen Typen formaler Variation, die sich nicht durch rein semantische oder strukturelle Motivation erklären lassen. So führt man z.B. den Unterschied zwischen "Ich lese Bücher von morgens bis abends" und "Von morgens bis abends lese ich Bücher" auf unterschiedliche Topik-Fokus Konfigurationen zurück; das gleiche gilt für die englischen Sätze "John woke me up at eleven" und "It was John that woke me up at eleven" oder für unterschiedliche Lesaraten der Partikel "nur" in "Ich habe nur Tee getrunken" und "Nur ich habe Tee getrunken".
Die Popularität dieser Begriffe ist paradigmenübergreifend: Sie werden gleichermaßen in funktional-typologischen, generativen und formal-semantischen Ansätzen angesetzt. Trotz breiter Beliebtheit besteht jedoch keine Einigkeit über ihre Definition und Extension, so dass die Informationsstrukturforschung als eine der terminologisch am chaotischsten Teildisziplinen der Linguistik gilt. Diese terminologische und die dazugehörige begriffliche Unklarheit führt dazu, dass die Interpretation von einzelnen Sätzen, Satztypen und ganzen Konstruktionen von Linguisten zu Linguisten unterschiedlich ausfällt. Deswegen konzentrieren wir uns in der ersten Hälfte des Kurses auf die Klärung der terminologischen und definitorischen Fragen, wodurch auch eine "Sensibilisierung" für die oft feinen Bedeutungsnuancen erstrebt wird, welche durch unterschiedliche Topik-Fokus-Artikulationen entstehen. Im zweiten Teil soll das erworbene Wissen angewandt werden: Einerseits soll gezeigt werden, wie sich die Informationsstruktur auf die sprachliche Form auswirken kann, andererseits werden wir versuchen, sprachspezifische semantische und diskurspragmatische Unterschiede in der Topik-Fokus-Kodierung zu identifizieren. |