Kommentar |
„Die Gesamtsprache Deutsch ist kein homogenes Gebilde, sondern existiert in vielfältigen Erscheinungsformen” (Girnth 2007: 187). Sprache variiert regional, situationsbedingt und zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Zu den Varietäten des Deutschen zählen zum Beispiel
- Soziolekte, Genderlekte, Fachsprachen, Jugendsprache, Freizeit- und Sportsprachen, Sprachen verschiedener Hobbygruppierungen, Kiezdeutsch, Pidgin- und Kreolsprachen etc.
- Dialekte, Regionalsprachen und Stadtsprachen
In den letzten 120 Jahren hat die Variationslinguistik eine lange Begriffs- und Forschungsgeschichte erlebt. Ende des 19. Jahrhunderts entstand die traditionelle Dialektologie, die sich noch kaum auf empirische Daten stützte. Forschende dokumentierten Phonologie und Morphologie ihrer Heimatdialekte oder verschickten Fragebögen, um Dialektatlanten zu erstellen. Durch den Einfluss der klassischen amerikanischen Soziolinguistik der 50er Jahre kam auch in Deutschland in den 1960ern ein Interesse an sozialen Unterschieden und Sprachbarrieren auf. In der ersten Phase der Soziolinguistik standen Alter, Geschlecht und soziale Schicht im Zentrum.
Der Begriff Variationslinguistik umfasst heute ein breites Spektrum verschiedener Varietäten einer Einzelsprache, die regional, sozial oder situationsbedingt sind. Die heutige Variationslinguistik erhebt überwiegend empirische Daten und ist vielfältig in ihren Ausrichtungen. So ist die Dialektologie nicht mehr nur daran interessiert, Dialektmerkmale zu beschreiben, sondern es haben sich Subdisziplinen wie die Soziodialektologie herausgebildet. Die zeitgenössische Soziolinguistik betrachtet nun auch Themenfelder wie Sprache in verschiedenen Medien, Werbesprache, Zweitspracherwerb, (Dialekt-)Diglossie etc.
Auch die diachrone Variation ist eine Dimension der Variationslinguistik, die auf die Sprachgeschichte schaut und sprachliche Phänomene im zeitlichen Wandel in den Blick nimmt (historische Soziolinguistik).
Ein Bewusstsein für (regionale, soziale oder situationsbedingte) sprachliche Variation zu entwickeln ist für den Schulunterricht von großer Bedeutung, um als Lehrperson angemessen damit umgehen zu können.
In diesem Seminar behandeln wir verschiedene Varietäten des Deutschen und werfen einen Blick auf die Teildisziplin der Sprachwissenschaft, die sich mit diesen Varietäten beschäftigt. Dabei werden Sie sowohl ältere als auch aktuelle Forschungsansätze und einflussreiche Theorien der Soziolinguistik kennenlernen. In eigenen empirischen Projekten werden Sie in Einzel- oder Gruppenarbeit selbst Methoden des empirischen Arbeitens austesten.
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Literatur |
Einstiegsliteratur:
Girnth, Heiko (2007): Variationslinguistik. In: Steinbach, Markus et al. (Hgg): Schnittstellen der germanistischen Linguiastik. Stuttgart: Metzler, 187-218.
Löffler, Heinrich (2016): Germanistische Soziolinguistik. 5. Neu bearbeitete Auflage. (Grundlagen der Germanistik 28). Berlin: Erich Schmidt.
Niebaum, Hermann/Macha, Jürgen (2014): Einführung in die Dialektologie des Deutschen. 4. neubearbeitete Auflage. (Germanistische Arbeitshefte 37). Berlin/Boston: De Gruyter. |