Kommentar |
Die vollständige Sequenzierung des menschlichen Genoms vor rund zwei Jahrzehnten, und die Möglichkeit, DNA aus Funden zu untersuchen, die älter als 100 Jahre sind (ancient DNA / aDNA), machte genetische Daten für die Erforschung der menschlichen Geschichte in neuer Weise verfügbar. Diese Entwicklung war keine Angelegenheit unter hochspezialisierten Fachleuten der Genetik, Archäologie und Geschichtswissenschaft, sondern sie wurde von Beginn an durch intensive Berichterstattung in den Medien begleitet und dynamisiert. Dem Versprechen auf völlig neue, nun naturwissenschaftliche Einsichten in die Geschichte der Menschheit gegenüber stand die Kritik an einem damit wiederaufkommenden biologistisch-deterministischen Menschenbild bis hin zu altbekannten Kategorien wie ‚Rasse‘. Mittlerweile liegt eine Fülle an vertieften und interdisziplinären Fallstudien und Debatten zu Verknüpfungen von Genetik und Geschichte vor. Die Lehrveranstaltung verbindet historische und kulturanthropologische Expertise zu diesem Feld. Wir erarbeiten einen Überblick zum Stand der Diskussion, zu erkenntnistheoretischen Fragen und analytischen Konzepten und erörtern empirische Fallstudien, die genetische Daten für die Erforschung von Geschichte und für Aussagen zur Geschichtlichkeit der Gegenwart verwendet sowie problematisiert haben. Berücksichtigt wird auch die wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Verknüpfungen von Geschichte und Genetik (Vererbungslehre). Damit will die Lehrveranstaltung das Wissen und die Urteilskraft der Studierenden im gesellschaftlich-öffentlich besonders stark wahrgenommenen Bereich der „genetic history“ bzw. „Archäogenetik“ fundieren und entwickeln. |
Literatur |
Foren Genetic History 1 u. 2 (2018, 2019). NTM: Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 26 u. 27; Geary, Patrick J. (2021): Herausforderungen und Gefahren der Integration von Genomdaten in die Erforschung der frühmittelalterlichen Geschichte, Göttingen; Geary, Patrick J. (2019): Geschichtslose „Barbaren“. aDNA-Forschung und die Entdeckung frühmittelalterlicher Migranten. In: Lisa Regazzoni, (Hg.): Schriftlose Vergangenheiten. Ge-schichtsschreibung an ihrer Grenze – von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart (Berlin: de Gruyter), 224-245; Hinterberger, Amy (2012): Publics and Populations. The Politics of Ancestry and Exchange in Genome Science. Science as Culture 21:4, 528-549; Jones, Elizabeth D.; Bösl, Elsbeth (2021): Ancient human DNA. A history of hype (then and now). Journal of World Archaeology 21:2, 236-355; Källen, Anna et al. (2019): Archaeogenetics in Popular Media. Contemporary Implications of Ancient DNA. Current Swedish Archaeology 27, 69-91.zn; Kinz, Elena; Gschmeidler, Brigitte (2020): Grundlagen genetischer Analysen. In: Andreas Lang et al.: Neue Anwendungen der DNA-Analyse: Chancen und Risiken. Interdisziplinäre Technikfolgenabschätzung. TA-SWISS Publikationsreihe TA 74/2020 (Zürich: vdf), 41-66; Moos, Thorsten; Niewöhner, Jörg; Tanner, Klaus (2011): Einleitung. In: dies. (Hg.): Genetisches Wissen. Formationen und Übersetzungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft (St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag), 7-30. |
Bemerkung |
Die Anmeldephase zum Sommersemester zu den Pro-, Haupt- und Masterseminaren sowie den Übungen findet elektronisch statt. Die Teilnahme wird durch ein auf Wahlgängen beruhendes Verteilverfahren geregelt. Es gibt nur einen Wahlgang am Ende des Wintersemesters.
Der Wahlgang erfolgt in HISLSF vom 16.1.2023 bis zum 31.1.2023 12 Uhr. Es müssen stets drei Wünsche aus einer Epoche angegeben werden. Nach Ende des Anmeldephase werden die Ergebnisse Anfang Februar veröffentlicht. Eine Bestätigung der Annahme des Seminarplatzes ist dann bis zum 28.2.2023 nötig.
Hochschulwechsler melden sich bitte bei Dr. Eva Baumkamp oder Dr. Thomas Tippach für die Seminarplatzvergabe. |